Kunsthistorikerin M.A.

Dipl. Restauratorin für Gemälde und gefaßte Skulpturen

20.11.2003

AVANTGARDE AUS DEN DREISSIGERN

Ulrike Pfeil

 

Im Tübinger Museum wurden gestern die Denkmalschutzpreise verliehen:

Einer ging an die Bauhaus-Villa „Haus Laub“

 

 

 

 

TÜBINGEN (upf). Unter den landesweit fünf Baudenkmälern, die gestern im Tübinger Museum mit dem diesjährigen Denkmalschutzpreis der Württemberger Hypo ausgezeichnet

wurden, war das Tübinger Objekt das jüngste: „Haus Laub“, eine 1930 von dem Architekten Martin Elsaesser entworfene Bauhaus-Villa an der Haußerstraße.

Von seinen neuen Besitzern wurde es im vergangenen Jahr innen und außen nach Originalbefunden restauriert. Beispielhaft.

 

Großer Auflauf gestern Nachmittag auf dem Gehsteig vor dem auffälligen weißen Kubus Haußerstraße 42: Wohl zweihundert Interessierte wollten die Gelegenheit nutzen, anlässlich

der Preisverleihung das Objekt selbst in Augenschein zu nehmen.

Der Schwäbische Heimatbund, der neben dem Landesverein Badische Heimat und der Denkmalstiftung Baden-Württemberg mit zu

den Auslobern des Preises zählt,

hatte einen ganzen Bus voller Mitglieder

zur Besichtigung herangefahren.

In Kleingruppen schleusten die

Eigentümer Bettina und Helge von

Gilsa die Menge durch die vier

Stockwerke des Hauses, berichteten

auf der großen Terrasse ganz oben

von unerwarteten Schäden des

Flachdachs, die saniert werden

mussten, erläuterten im Treppenhaus

das Farbkonzept (schwarze Türen, helles Holzwerk; in den Zimmern

umgekehrt),wiesen im Garten

auf die schwarze, von Spalierobst

berankte Pergola, die schon der Architekt

angelegt hatte, „um die Höhe

des Gebäudes etwas zu mildern“.

Haus Laub wurde von Elsaesser

für seinen Schwager, einen einen Missionsdirektor, gebaut. Es war neben

dem Haus Reemtsma in Hamburg

einer seiner ersten Bauten in der

modernen, kantigen Bauhaus-Art.

In Tübingen hatte Elsaesser, Sohn

eines hiesigen Dekans, zuvor das

Kepler-Gymnasium und die Eberhardskirche

entworfen. Entlang der

Haußerstraße entstanden zur selben

Zeit mehrere Bauhaus-Villen; von

diesem „Tübinger Weißenhöfle“

sind nur noch das Haus Laub und

sein Nachbarhaus unverfälscht erhalten.

Für das denkmalgeschützte Objekt

war es ein Glücksfall, dass es

beim Verkauf in Bettina von Gilsa eine

Eigentümerin fand, die selbst

Restauratorin ist. Sie schürfte nicht

nur nach den Original-Befunden,

sondern übernahm auch die Bauleitung

(ihren Beruf ließ sie für ein halbes

Jahr ruhen) und legte bei der Renovierung

selbst Hand an. Ein extra

Lob zollte sie den Tübinger Handwerkern,

die mit großer Sachkunde

und Sinn für die Qualität des Hauses

zum Gelingen der Renovierung beitrugen.

Die Dachdeckerfirma war

sogar die selbe, die schon beim Bau

mit den Tücken des Flachdachs Erfahrung

sammelte.

Der Denkmalschutzpreis wird seit

26 Jahren an vorbildlich engagierte

Denkmals-Bauherren vergeben; zunächst

wurde er vom Schwäbischen

Heimatbund als „Peter-Haag-Preis“

initiiert. Er ist mit je 5000 Euro dotiert.

Beim gestrigen Festakt im Museum

wurde deutlich, dass Sanierung

und Unterhalt von Baudenkmälern

den Besitzern besondere finanzielle

Opfer abverlangen – von

„Wagnis“ sprach Dittmar Hagedorn,

Vorstandsmitglied der Württemberger

Hypo, in seinem Grußwort.

In der kurzweiligen Präsentation

der fünf ausgezeichneten Objekte,

die von der SWR-Journalistin Heike

Lüttich moderiert wurde, zeigte sich aber auch, dass Denkmäler eine besondere

Beziehung zwischen Bauherren

und Gebäude, zwischen Bauherren

und ihrem Wohnort erzeugen.

Auch wenn es neue Eigentümer

sind, machen sie sich die Geschichte

(und die Geschichten) ihrer Häuser

zu eigen: Aus Liebe zu dem schönen

Haus aus dem Jahr 1786 ließ ein

Ehepaar in Bonfeld im Kreis Heilbronn

die Tradition der örtlichen

Gastwirtschaft „Krone“ wieder aufleben

– samt Tanzboden, Plumpsabort

(nur nur Besichtigung) und Kittelschürze

der Jahre zuvor verstorbenen

Wirtin. Oder eine Stuttgarter Familie übersiedelte nach Bönnigheim

im Kreis Ludwigsburg, um eine

Jugendstil-Fabrikantenvilla mit

Schweizer Landhausvorbild nach

zwanzig Jahren Leerstand wieder in

Schuss zu bringen – und vor dem

Abriss zu bewahren.

Weitere Denkmalschutz-Preisträger

in diesem Jahr waren die Langmühle

in Langenau (Alb-Donau-

Kreis) aus dem 17. Jahrhundert und

eine zum Wohn- und Geshäftshaus

umgebaute Torkelscheuer, also Kelter,

aus dem 15. Jahrhundert in Immenstaad

am Bodensee – ebenfalls

ein Abrisskandidat

 

 

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