Kunsthistorikerin M.A.

Dipl. Restauratorin für Gemälde und gefaßte Skulpturen

06.2004

EDITION BAUHANDWERK

Dipl. Ing. Thomas Wieckhorst (Hrg.)

 

Bauhaus-Villa? Haus Laub in Tübingen wieder im Originalzustand

Bd.1, Umbauen Sanieren Restaurieren, 2006 Bauverlag BV GmbH Gütersloh

 

 

 

 

Kaum ein Baustil hat unser Verständnis von Bauen und Architektur so nachhaltig geprägt wie der des Bauhauses in Dessau. Namen wie Walter Gropius oder Ludwig Mies van der Rohe sind eng damit ver- bunden. Weniger bekannt ist Martin Elsässer. Obwohl kein direkter Kontakt zum Bauhaus bestand, baute er 1930 für seinen Schwager, den Missionarsdirektor Laub, in Tübingen ein Wohnhaus, das aus einzelnen Kuben zusammengefügt die Stilmerkmale der Bauhaus-Zeit trägt und nach einer gründlichen Restaurierung nun annähernd in seinen ursprünglichen Zustand zurück versetzt wurde.

 

Bettina und Helge von Gilsa hatten die seit 1990 unter Denkmalschutz stehende Villa von Martin Elsässer vor gut zwei Jahren in der Haußerstraße in Tübingen entdeckt und von Philippine Fetzer gekauft. Diese hatte zusammen mit ihrer Schwes- ter Frida das Haus seit Mitte der 50er Jahre bewohnt. Ob- wohl farblich und baulich entstellt, blieb der Zustand der gerade mal ein Viertel Jahrhundert zuvor erbauten Villa seit dem Einzug der Schwestern fast unverändert. „Das Haus bestach durch seine noch weitgehend ur- sprüngliche Bausubstanz, Raumaufteilung und etliche erhaltene Details“, schwärmt Bettina von Gilsa. So fanden sich im Haus noch die origi- nalen Türgriff im Stil des Bauhauses ebenso wie die typischen Kugelleuchten mit den dazu passenden Dreh- schaltern aus Bakelit und Porzellan. Die Zeit schien an diesen Details zu haften und im Haus seit dem Einzug der Schwestern mehr oder weni- ger stehen geblieben zu sein. Aber dennoch gab es für Bettina von Gilsa als Restau- ratorin und neue Bauherrin einiges zu tun, um das Haus wieder in seinen originalen Zustand zurück zu versetzen. Denn einige, wenn auch klei- ne Veränderungen hatten die Schwestern Fetzer schon am Haus vorgenommen.

 

Ausgangssituation

Anfang der 60er Jahr hatten sich die Schwestern nach dem Tod ihrer Eltern, die zu- vor mit in der Villa gewohnt hatten, jeweils in einer Etage häuslich eingerichtet: Eine Schwester lebte im Erdge- schoss und richtete sich im ehemaligen „Schlafzimmer der Tochter Laub“ eine Küche ein, die andere baute sich in der Speisekammer im ersten Obergeschoss ein Badezim- mer ein. Zudem schien die unzureichende Wärmedäm- mung der Außenwände den Schwestern Sorgen zu be- reiten, denn diese hatten sie aufgrund der extrem hohen Heizkostenabrechnung von innen mit Polystyrolhart- schaumplatten bekleidet.

 

Überraschungen

„Bereits im Vorfeld der Kauf- entscheidung traten wir in Kontakt mit der örtlichen Denkmalpflege, um diverseRückbaumaßnahmen, tech- nische Neuerungen und auch Änderungen im Nutzungs- bereich vorzuführen. Als vierköpfige Familie wollten wir das Haus wieder als Ein- familienhaus nutzen, zusätz- lich aber auch eine Restaurie- rungswerkstatt im Unterge- schoss unterbringen“, so Bet- tina von Gilsa. Zunächst hat- te die Bauherrin bei diesen Worten aber nur an eine In- standsetzung im Inneren des Hauses gedacht. Die Dach- abdichtung und Dachdäm- mung sowie die Renovierung der Dachterrasse und der Fassade sollten erst später folgen. Dann kam jedoch al- les anders: Beim Ablösen der Styroporverkleidung unter der obersten Decke zeigten sich nasse Stellen und dann zahlreiche Löcher im Metall der Dacheindeckung. Um- fangreichere Arbeiten als ge- plant waren die zwangsläu- fige Folge dieser Entdeckun- gen, bei denen der Stuttgarter Architekt Alexander von Sal- muth den Bauherren bera- tend zur Seite stand.

 

Terrassen- und Dachsanierung

Die Mitarbeiter vom Dach- deckerbetrieb Peetz hatten das mittlerweile arg verroste- te Zinkblech auf dem oberen Dach untersucht und an ver- schiedenen Stellen geöffnet. Zum Vorschein kam eine Lage nasser Zeitungen (von 1970) auf mehreren Schich- ten versprödeter Bitumen- bahnen und einer Holzlat- tung; darunter klaffte ein Hohlraum – dieses Dach konnte nicht mehr regen- dicht sein. Auch das Kupfer- blech auf dem Terrassendach öffneten die Handwerker. Darunter fanden sie eine Trennlage mit Dachpappe über einem Steinplattenbe- lag, den sie auch schon in der zum Wintergarten geworde- nen Dachterrasse gesehen hatten. Zu retten waren diese Dächer nicht. Die Handwer- ker entfernten die alten Dach- aufbauten samt rostigem Me- tall und legten zwischen die Pfetten auf einer Dampfsper- re Mineralwolle, um die Wär- medämmung der Flach- dächer zu verbessern. Darauf folgte eine Brettschalung, eine Trennlage und zwei La- gen Dachabdichtung. Im Ver- gleich zur ursprünglichen Höhe der Dachaufbauten wird diese von den neuen Dachaufbauten sogar noch unterschritten, da die ehema- ligen Hohlräume einen Teil der Wärmedämmung auf- nehmen. Der Aufbau der Treppenhausdächer erhöht sich durch die Wärmedäm- mung dagegen um etwa 10 cm, da diese im Gegensatz zu den Hauptdächern direkt auf einer Betondecke liegen. Als neue Dachhaut verlegten die Handwerker mit Schiefer- splitt bestreute Dachpappe. Die Dachterrasse erhielt zum Schutz der Bitumenbahnen eine gummierte Bauten- schutzmatte und ein Holz- deck aus unbehandelten Lär- chenbrettern.

 

Vom Wintergarten zur Dachterrasse

Wie die Originalpläne von Martin Elsässer zeigen, be- saß das Haus ursprünglich eine offene Dachterrasse. Unter dem Schleppdach hat- te man den nur 2 m hohen Freiraum 1961 mit Fenstern und einer Terrassentür zu ei- nem Wintergarten geschlos- sen. „Wir wollten die Dachter- rasse wieder im ursprüng- lichen Sinne als Ganzes nut- zen und unter dem Dach be- schattet und belüftet sitzen, denn bei starker Sonnenein- strahlung fühlte man sich im Wintergarten wie im Treib- haus“, erinnert sich Bettina von Gilsa. Auf einem histo- rischen Foto von 1931 ent- deckte die Bauherrin aller- dings auch eine auf der West- seite der Terrasse angebrach- te Verglasung. Diese wurde reversibel als rahmenlose, mehrteilige Glaswand wieder hergestellt, die komplett zur Seite an den Kamin gefaltet und dort fixiert werden kann. So entstand das wieder, was sich schon Martin Elsässer für seinen Schwager Laub ge- wünscht hatte: vor Wind und Wetter geschützt, ein herrlich freier Ausblick auf das Tübin- ger Land.

 

Aufarbeitung der Fenster

Ein schöner Ausblick bietet sich aber auch schon durch die Fenster der schlichten Lochfassade. „Wir wollten die bestehenden Fenster erhal- ten und nicht erneuern“, war dabei das erklärte Ziel der Bauherrin. Die vorhandenen Fenster mussten folglich vom Schreiner aufgearbeitet werden – die gebrochenen Scheiben ebenso wie der mürbe Fensterkitt und die käferzerfressenen Wetter- schenkel ausgetauscht wer- den. Alle Fenster wurden anschließend durch eine eingefräste Gummidichtung (Bauko) abgedichtet und anschließend neu lackiert. Um aber trotzdem etwas zur Verbesserung der Wärme- dämmung zumindest einiger Fenster zu unternehmen, wurden die mit Einscheiben verglasten Rundfenster von innen rahmenlos mit Nor- malglas aufgedoppelt – von nur vier Schrauben gehalten. Auch die eckigen, einfach verglasten Fenster in Bad und WC erhielten von innen eine in schmale Metallrah- men gefasste Glasscheibe. Das kleine, einfach verglaste Fenster in der Haustür und die beiden oberen Gefache in der Terrassentür erhielten da- gegen Isolierglasscheiben – desgleichen am Eingang das Treppenhausfenster zur Straße nach Norden hin und die Küchenfenster.

 

Fassadensanierung

Eigentlich sollte die Fassade nur ausgebessert und neu gestrichen werden. Eine zu- sätzliche Wärmedämmung kam für die Bauherren aus Gründen des Denkmal- schutzes gar nicht in Frage. Die Risse und Fehlstellen im Putz waren aber doch so groß, dass der gesamte Außenputz abgeschlagen und erneuert werden mus- ste. Hier trugen die Hand- werker zunächst auf die unebenen Flächen einen stellenweise bis zu 15 mm dicken Dämmputz als Hö- henausgleich auf. Danach armierten sie die gesamte Fassadenfläche mit Gewebe- spachtelmasse. Abschließ- end erhielt die Fassade als äußerste Schicht einen dün- nen, mit Kratzputzstruktur (Korn 1,2 mm) aufgetrage- nen Kalk-Zementputz und einen grauweißen Anstrich.

 

Wärme- kontra Denkmalschutz?

Durch die im Wärmegutach- ten vom TÜV Süddeutsch- land vorgeschlagene Däm- mung von Dach und Keller- boden, die Abdichtung der Fenster, einen Brennwert- kessel und eine Solaranlage auf dem Flachdach konnte der Gesamtenergiever- brauch des Hauses um ein Drittel reduziert werden. Ge- wiss, man hätte durch ein zusätzliches Wärmedämm- verbundsystem (WDVS) auf der Fassade und durch die Erneuerung der alten Fens- ter die Energieeinsparung auf mehr als zwei Drittel erhöhen können. Aber mit beidem – sowohl dem

WDVS als auch den neuen Fenstern – hätten man sich im Material und in der Lai- bungstiefe der Fenster vom Original entfernt, und genau das Gegenteil war das er- klärte Ziel der Bauherren. Mit den etwas höheren Heiz- kosten, dafür aber in einem „Original Elsässer“, kann die vierköpfige Familie in der Haußerstraße gut leben.

 

Kleinere Umbauten

Für die geplante Restaurie- rungswerkstatt boten sich das ehemalige Bügelzimmer und das Mädchenzimmer im Untergeschoss an, da beide Räume in dieser Funktion heute ohnehin nicht mehr benötigt werden. Die die beiden Zimmer trennende, nicht tragende Ziegelwand wurde zu diesem Zweck ein- gerissen, so dass ein großer, heller Arbeitsraum entstand. Die ursprüngliche Raumauf- teilung kann man aber auch heute noch im längs ausge- richteten Dielenbodenbelag der Werkstatt ablesen: Am Standort der einstigen Zie- gelwand befindet sich heute ein quer zur den Dielen ein- gelegtes Brett.

Im Erdgeschoss wurde aus dem kleinen alten Bad mit Wanne ein Duschbad für Kinder und Gäste und aus dem ehemaligen Zimmer der Tochter, das die letzten 40 Jah- re als Küche gedient hatte, ein großes Bad für die Bauherren selbst. Nachdem im kleinen Bad das alte Klo und die Wanne herausgerissen wor- den waren, kam selbst darun- ter ein noch gut erhaltener, anthrazitfarbener Terrazzo- fußboden zum Vorschein. Nur an den Abflusslöchern fehlte dieser, den ein Stein- restaurator schließlich er- gänzte. Das große Bad erhielt einen neuen Fußbodenbelag aus kleineren, aber ähnlich gefärbten Terrazzoplatten. Im ersten Obergeschoss musste in der Küche vor allem das Sitzbad in der ehemaligen Speisekammer weichen – zumal diese ur- sprünglich von Elsässer ge- wiss nicht dafür vorgesehen war. Ein Anzeichen hierfür mag der auch hier glatt durchlaufende Terrazzofuß- boden sein. Die Handwerker brachen die nicht tragende Holzständerwand der ehe- maligen Speisekammer samt dem Sitzbad ab, so dass wieder ein ausgewogener, qua- dratischer Raum entstand.

 

Zurück zum Original

„Wichtig war für uns letztlich auch das ursprüngliche Farbkonzept“, so Bettina von Gilsa. Unter Tapeten und Anstrichen versteckt, blieb zur Wiederherstellung der Originalfarbigkeit nur die Befunduntersuchung, da aus den 30er Jahren ver- ständlicher Weise keine Farbfotografien existieren und auch in der Literatur zu Martin Elsässer sich keine Hinweise auf die Farbigkeit von Haus Laub fanden. Da- her wurde im Eingangs- bereich der vorgefundene Orangeton der Wand über- nommen, die Decke weiß und die Holzrahmen der Fenster und die Haustür blaugrau gestrichen. Die zu- letzt schwarz gestrichenen Flurtüren durften vorerst ihre Farbe behalten. Die Wände im Flur und Trep- penhaus erhielten von der Bauherrin einen Anstrich mit weißer Mineralfarbe (Keimfarben), die sie an- schließend mit einem sehr hellen, wässrigen Blau mit ei- nem breiten Pinsel gleich- mäßig überlasierte. So ent- steht ein deutlicher Kontrast zum anthrazit gestrichenen Handlauf der Treppe.  Auch die Wand unter der Garde- robe hebt sich mit ihrem intensiv blau leuchtenden Anstrich aus Dispersionsfar- be deutlich heraus.

Die Treppenabsätze beim Eingang und bis hinauf zum zweiten Obergeschoss erhiel- ten ihren graublau marmorierten Linoleumbelag zu- rück, alle Wohnräume im ersten und zweiten Oberge- schoss und Erdgeschoss da- gegen ein druchlaufendes 8 mm dickes, versiegeltes Eichenholz-Stabparkett.

 

Fazit

Vor allem dem Engagement der Bauherren ist es zu danken, dass das 1930 von Martin Elsässer in Tübingen entworfene Haus Laub sei- nen ursprünglichen Zustand zurück erhielt. Diese lag nicht zuletzt an der Liebe zum Detail, mit der die Handwerker und die Bauher- rin, die als Restauratorin für Gemälde und gefasste Skulp- turen selbst mit Hand anleg- te, die Arbeiten vorantrieben. Belohnt wurde die heraus- ragende Restaurierung im vergangenen Jahr mit dem Denkmalschutzpreis der Württemberger Hypo.

 

 

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