Kunsthistorikerin M.A.

Dipl. Restauratorin für Gemälde und gefaßte Skulpturen

01.2004

SCHWÄBISCHE HEIMAT

Ulrich Gräf

 

Haus Laub in Tübingen

Haußerstraße 42

 

 

 

 

Das Einfamilienhaus in der Haußerstraße wurde1930 von dem Stuttgarter Architekten und Baudi-rektor Prof. Martin Elsässer für seinen Schwager,den Missionsdirektor Laub, geplant und gebaut. DaElsässer zu dieser Zeit amHochbauamt in Frankfurtam Main beschäftigt war, übernahm in TübingenArchitekt Karl Wägenbaur die Bauleitung des Laub-schen Hauses.Das aus differenzierten Kuben addierte, hangsei-tig viergeschossige Gebäude mit Flachdach gehörtezu einem kleinen, einheitlichen Ensemble an derHaußerstraße, das wegen seiner formalen Ahntich-keit zur Stuttgarter Weißenhofsiedlung von 1927auch "Klein Weißenhof" genannt wurde. Das HausLaub hat sich als eines von ursprünglich vier alsweiße Kuben gestalteten Häusern erhalten. Wenn-gleich farblich und baulich etwas entstellt, verbliebdas Gebäude in einem Zustand der 1950er Jahre bisheute. Zwei Schwestern bewohnten das Haus von1954bis 1993.Das steil nach Süden abfallende Hanggrund-stück und die schöne Aussichtslage auf die Altstadtvon Tübingen veranlasste Elsässer zu einer unge-wöhnlichen Nutzungsverteilung auf vier Wohn-geschosse. Das nordseitige Treppenhaus zur Straßehin nimmt halbgeschossig versetzt die beidenHauptwohngeschosse auf. Aufwärts geht es in dieWohnräume mit Wohn-Esszimmer, Besuchszim-mer, Herrenzimmer mit kleinem Balkon, WC undKüche. Abwärts folgen die Schlafräume mit Bad.ImCeschoss darunter liegen die Wirtschaftsräume unddas Mädchenzimmer. Von den Wohnräumen gehtdie Treppe ins 2. Obergeschoss zu einem Bühnen-raum und zur großen Dachterrasse.Fortschrittlich bis heute ist im Haus Laub die konsequente Orientierung der Wohnräume nachSüden und Westen, während die Nassbereiche undNebenräume zur Nordseite hin angeordnet sind.Die Küche liegt im Nordosten und öffnet sich nebeneinem kleineren zweiflügeligen Fenster nach Nor-den mit einem dreiteiligen Flügelfenster nach Ostenhin der Morgensonne entgegen. Die Dachteffasseist teilweise überdacht und offen und nur nachOsten mit mehrteiligen Fenstern windgeschütztverglast.Neben der kompletten Erneuerung der Haus-technik mussten die neuen Eigentümer, FamilieHelge und Bettina von Gilsa, die Wände und Dek-ken sichern sowie Fenster und Türen überarbeiten,um so weit wie möglich den Originalzustand derBauhauszeit zu restaurieren. Als Architekt standAlexander von Salmuth beratend zur Seite. In Ab-stimmung mit dem Landesdenkmalamt wurden dieerstellten Bau- und Befunduntersuchungen alsGrundlage für die Wiederherstellung genommen.Das Flachdach sollte erstmal belassen werden, stell-te sich aber als undicht heraus und musste grundle-gend erneuert werden. Damit war ein Neuaufbaumit Wärmedämmung möglich, der auch den Anlassbot, die ursprüngliche Dachterrasse im historischenErscheinungsbild wieder herzustellen und das Dachbegehbar und nutzbar zu machen.Da den Bauherren die hohen Energiekosten desHauses auffielen, wurde ein Wärmegutachten inAuftrag gegeben, in dem eine Reihe von Maßnah-men vorgeschlagen wurde, mit denen der Gesamt-energieverbrauch um ca. ein Drittel reduziert wer-den konnte, ohne dass die gewünschte Erhaltungder historischen Details von Fenstern und Türenund der Fassaden aufgegeben werden musste. Ne-ben Dämmungen der verschiedenen Flachdächerund der Kellerdecken waren vor allem die Fensterund Türen ein Schwachpunkt. Mit einfachen Mit-teln w"urden die Fenster abgedichtet und wo mög-lich durch Aufdopplungen wärmetechnisch verbessert. So konnte das originale Erscheinungsbild weit-gehend erhalten werden.Am wirkungsvollsten für die Gesamtenergiebi-lanz wäre eine Dämmung der Fassaden gewesen.Dies hätte aber große Probleme mit den originalenFenstern, den Rollläden, den Eckstellungen vonTür- und Wandanschlüssen am Eingang und Balkonergeben. Nachdem sich herausgestellt hatte, dassder gesamte Außenputz erneuert werden musste,konnte über einen dünnen Wärmedämmputz unddarüber liegendem mineralischem Feinputz ein ge-wisser Ausgleich geschaffen werden. Mit der Solar-anlage auf dem Dach und neuer Brennwerttechnikin der Heizung wurde der Energieverbrauch opti-miert. In Teilen konnten dabei sogar die originalenHeizkörper im Haus Laub erhalten und wieder ver-wendet werden.Von entscheidender Bedeutung für Häuser ausder Bauhauszeit ist die Farbigkeit innen und außen.Aus der Literatur sind Darstellungen von Häusernaus der Bauhauszeit von Martin Elsässer bekannt,die auch die Farbigkeit beschreiben. Leider wurdedas Haus Laub nicht erwähnt. So musste durch Be-funduntersuchungen die Farbigkeit erfasst und do-kumentiert werden. Da viele der originalen Oberflä-chen und Beläge, wie Fliesen und Böden, nicht mehrvorhanden waren, mussten etwa zur Farbigkeit derneapelgelben Wand des Bades und der Küche pas-sende neue Fliesen ausgesucht werden.Am eindrücklichsten und herausstechend ausder Nachbarschaft ist das äußere Erscheinungsbilddes Hauses, das mit seinen sehr hellery fast weißengeometrischen Fassadenflächen und den dazu kon-trastierenden Fenstern, Blechverwahrungen undFallrohren einen unübersehbaren Akzent im Tübin-ger Stadtbild setzt.In beispielhafter Weise ist es gelungen, Form,Struktur und Farbigkeit eines Flachdachgebäudesim Bauhausstil der 1930-er Jahre zu erhalten undweiter zu tradieren.

 

 

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